ETG journal 02/2024 ETG AKTUELL E 50 Jahre ETG – Menschen und ihre Geschichten E5 Die Bedeutung der Energiewende für die ETG Episode 1: Der Wert von Sichtbarkeit und Relevanz Episode 2: Offenheit erweitert den Diskussionsraum Als sich der neu gewählte ETG Vorstand, der erste, dem ich angehörte, am Anfang des Jahres 2008 zu einer Stra- tegiesitzung traf, fanden wir ein verhältnismäßig junges Werkzeug der ETG vor, die vom vorherigen Vorstand ab dem Jahr 2002 ins Leben gerufenen und mit viel persön- lichem Einsatz vorangetriebenen Studien. Im Unterschied zur Arbeit der traditionellen Fachbereiche, die die Ergeb- nisse ihrer laufenden Arbeit in überwiegend sehr fachspe- zifische Veranstaltungen einfließen lassen, waren die Studi- en in kurzfristigen und temporären Task Forces organisiert und hatten das klare Ziel, einer breiteren Öffentlichkeit zu- gänglich gemacht zu werden. Und natürlich beschäftigten sie sich intensiv mit der immer relevanter werdenden Ener- giewende (auch, wenn sie damals noch gar nicht so hieß). Obwohl die neuen Vorstandsmitglieder wohl alle das Ge- fühl hatten, dass diese Studien grundsätzlich gut seien, ta- ten sie sich schwer damit, eine Antwort darauf zu geben, was eigentlich der Nutzen für die Mitglieder oder den VDE als Verband sei. Diese Frage war aber nicht zuletzt ange- sichts des hohen Aufwands, den die Studien für ihre über- wiegend aus dem Vorstand stammenden Treiber bedeute- ten, alles andere als unwichtig. Doch manchmal kommen Antworten ganz unerwartet und an anderen Orten als man sie sucht. Einige Zeit nach der Strategiesitzung saß ich während einer VDE Veranstal- tung beim Frühstück mit einem hauptamtlichen VDE Mitar- beiter zusammen, der mir plötzlich sagte, dass die Studien der ETG ganz toll seien und er stolz sei, zu einem Verband zugehören, der so etwas könne. Das sei auch etwas, was Familie, Freunde und Bekannte verständen und wertschätz- ten. Und so ging es wohl auch vielen Mitgliedern. Die in den folgenden Jahren steigenden Teilnehmerzahlen an ETG Mitgliederversammlungen und die engagierten Diskussio- nen dort belegten diese ebenso wie die sich teilweise über mehrere Ausgaben hinziehenden Leserbrief-Diskussion im ETG Journal. Auf den Mitgliederversammlungen wurde im- mer wieder nach noch mehr Sichtbarkeit verlangt – bis hin zu der Diskussion, ob die ETG nicht eigentlich auch in der Tagesschau erscheinen solle. Für die ETG bedeutete diese Entwicklung den Übergang von einem relativ geschlossenen Treffpunkt für Experten, als der sie ursprünglich gegründet worden war, zu einer Stimme des VDE, die sich zu gesellschaftlich relevanten Themen äußert und die als verlässlich objektive Institution auch gerne in Anspruch genommen wird. Man könnte auch sagen, dass die Energiewende der ETG einen Ball ins Feld gespielt hat, den sie dankbar und erfolgreich angenommen hat. Von Anfang an hat die ETG die Position vertreten, dass sie die politisch gewählten Maßnahmen nicht bewerten will, dass sie aber ihre Konsequenzen diskutieren und mögliche Entwicklungsszenarien aufzeigen möchte. Ein wichtiger Ort dafür sind natürlich Veranstaltungen, und im Kontext der ETG spielt der ETG Kongress dabei sicher eine besondere Rolle – zumindest scheint das aus heutiger Perspektive of- fensichtlich zu sein. Das war allerdings nicht immer so. Als ich am Ende des Jahres 2007 am Rande eines ETG Kongresses zum ersten Mal eine Sitzung des ETG Beirats besuchte, verabschie- dete man gerade ein Konzept für die künftigen Veranstal- tungen, in dem der Kongress eigentlich gar nicht mehr vorgesehen war. Man hatte nur gezögert, weil der aktuelle Kongress mit etwa 400 Teilnehmern dann doch nicht erfolg- los genug war, um ihn zu streichen. Er überlebte sozusagen auf Bewährung. Rückblickend muss man wohl sagen, dass die Bewäh- rung dem Kongress guttat. Die nächsten beiden Kongres- se stellten mit 600 und 700 Teilnehmern neue Rekorde auf, und niemand sprach mehr von Einstellung. Woher kam der Erfolg? Zum einen war das Umfeld mit steigendem Inter- esse an energietechnischen und wirtschaftlichen Fragen selbstverständlich hilfreich. Zum anderen hatte die ETG aber auch bewusst aktive Teilnehmer gewonnen, die nicht aus dem traditionellen ETG Umfeld stammten. Ich erinnere mich noch gut an ein Pausengespräch beim ETG Kongress 2009 in Düsseldorf, bei dem mein Gesprächspartner, der aus der Welt der neuen erneuerbaren Energien kam, meinte, dass er sich bis vor kurzem wirklich nicht hätte vorstellen können, wieso die ETG für ihn relevant sein könnte – aber die Veranstaltung sei wirklich gut. Von dort führte ihn sein Weg ziemlich geradlinig in den ETG Vorstand. Für mich ist diese Episode ein typisches Beispiel dafür, welche Wirkung eine Organisation wie die ETG entfalten kann, wenn sie sich konstruktiv-kritisch auf Neues einlässt und Grenzen eingefahrener Gruppen (heute würde man wohl Bubbles sagen) überschreitet – getreu dem Grund- satz, dass es besser ist, miteinander als übereinander zu reden. Episode 3: Diskussion erfordert Zuhören und Reaktion Die Energiewende hat der ETG viele Gelegenheiten gebo- ten, ihre Expertise einzubringen und Sichtbarkeit und Rele- vanz auszubauen. Von Anfang an war allerdings klar, dass die ETG als technisch-wissenschaftliche Gesellschaft poli- tische Entscheidungen nicht bewerten will, sondern nur ihre Konsequenzen diskutieren und Optionen aufzeigen möch- te. Es ist nicht überraschend, dass eine solche Positionie- 21